Kryptobörsen in der Krise Wie der Krypto-Riese Binance das Vertrauen der Anleger zu verspielen droht
Mit der Pleite des Konkurrenten FTX konnte Branchenführer Binance seine Macht weiter ausbauen. Doch nun kämpft auch die weltgrößte Kryptobörse um das Vertrauen der Kunden. Kann sie es wiedergewinnen?
Die größte Kryptobörse der Welt feiert einen Mega-Deal. Für über eine Milliarde Dollar bedient sich Binance an den Resten des gefallenen Kryptounternehmens Voyager, das im Sommer Insolvenz angemeldet hat. Der Branchenführer für den Handel mit Bitcoin und Co. habe das höchste und beste Angebot eingereicht, teilte Voyager zum Wochenbeginn mit. Wenn die Übernahme der Vermögenswerte durch Binance durchgeht, können die Kunden des insolventen Kryptounternehmens darauf hoffen, dass ihre Einlagen wieder freigegeben werden.
In normalen Zeiten hätte man die Voyager-Übernahme sicher als Erfolgsmeldung für Binance verbucht, als weiteren Expansionsschritt der wichtigsten Handelsplattform für Kryptowährungen. Doch normal ist in der Welt von Bitcoin und Co. schon lange nichts mehr. Das Jahr 2022 war geprägt von Kurseinbrüchen und Insolvenzen, mit FTX traf es die drittgrößte Kryptobörse der Welt. Die Endzeitstimmung in der Kryptowelt rückt derzeit Meldungen wie die Voyager-Übernahme in den Hintergrund.
Zumal auch Binance gerade in der Kritik steht. Mit der Insolvenz der rivalisierenden Börse FTX konnte das Unternehmen zwar seinen Marktanteil auf 52 Prozent steigern, heißt es vom Branchendienst Cryptocompare. Doch die Vertrauenskrise hat den Krypto-Riesen fest in Griff. Das liegt nicht nur am schwierigen Marktumfeld, für das Binance in Sippenhaft genommen wird – sondern auch am Handeln der Börse selbst, das viele Fragen aufwirft.
Ein Sprung ins Jahr 2019: Die Kryptoszene ist im Aufwind. Binance glaubt erkannt zu haben, dass in der Konkurrenz-Börse FTX Potenzial steckt und beteiligt sich im Rahmen einer Finanzierungsrunde.
Im vergangenen Jahr stieg Binance aus dem Deal aus und ließ sich die Anteile im Wert von 2,1 Milliarden Dollar auszahlen. Das Problem: Wie Börsenchef Changpeng Zhao – in der Szene meist CZ genannt – nun bekannt gab, erfolgte die Auszahlung in Form von Kryptowährungen. Darunter waren die Binance-Coins BUSD und BNB, aber auch: FTT – der inzwischen kollabierte eigene Token von FTX.
Wie steht es um die Finanzen von Binance?
In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNBC erklärte Zhao jüngst, einen FTT-Restbestand im Wert von einst 580 Millionen Dollar bis vor kurzem „tatsächlich vergessen“ zu haben. Kurz vor der FTX-Pleite stieß er die Kryptowerte ab. Also gerade rechtzeitig, um durch die FTX-Pleite keinen finanziellen Schaden zu erleiden.
Für Binance-Kunden stellt sich dennoch die Frage, inwiefern ein Unternehmen ordentlich führt, wenn Vermögenswerte mit einem Volumen von mehr als einer halben Milliarde Dollar in Vergessenheit geraten.
Die 2,1 Milliarden Dollar schwere Auszahlung könnte nun zu einem Thema für den Insolvenzverwalter von FTX werden. Wenn sich herausstellt, dass FTX tatsächlich Kundengelder veruntreut hat, würde die Auszahlung an Binance womöglich als betrügerische Übertragung angesehen.
FTX-Gründer Sam Bankman-Fried wurde Anfang vergangener Woche auf den Bahamas festgenommen und muss sich nun wegen Betrugsvorwürfen vor einem US-Gericht verantworten. Immerhin: Gegen eine Kaution von 250 Millionen Dollar darf er die Zeit bis zum Prozessbeginn im Haus seiner Eltern verbringen.
Sollte das Gericht die Transaktion als unwirksam beurteilen, müsste das Geld der Insolvenzmasse zufließen – und Binance eine enorme Last tragen. Das Problem: Zwar behauptet CEO Zhao stets, Binance sei finanziell gut aufgestellt und hätte keine Kredite aufgenommen, was für ein Kryptounternehmen höchst unüblich wäre. Von außen aber kann das niemand unabhängig überprüfen. Anders als der an der US-Börse Nasdaq gelistete Konkurrent Coinbase unterliegt Binance keinen Offenlegungspflichten.
Prüfung mit zweifelhafter Aussagekraft
Geschäftsberichte und Bilanzen von Binance sind nicht öffentlich einsehbar, die Kryptobörse ist eine Blackbox. Vor dem Hintergrund des FTX-Debakels stößt das auf Kritik. Binance will nun die Gemüter beruhigen und kündigt an, Einblicke ins Zahlenwerk zu gewähren. Wann das genau geschehen soll, ließ das Unternehmen jedoch offen.
Fraglich ist auch, wie aussagekräftig die präsentierten Zahlen sein werden. Vor wenigen Wochen hatte Binance einen mit viel Tamtam angekündigten „Proof of Reserve“ vorgelegt. Der sollte beweisen, dass die Kundeneinlagen der Börse mit ausreichend Kryptowerten besichert sind.
Die Prüfung hatte der französische Wirtschaftsprüfer Mazars vorgenommen, der übrigens auch die Jahresabschlüsse der Trump Organization erstellt. Die Big Four – Deloitte, EY, KPMG und PwC – hätten für eine Prüfung nicht zur Verfügung gestanden, sagte Binance-Chef Zhao.
Die Kundeneinlagen waren dem Bericht zufolge durch ausreichend Kryptowerte gedeckt. Allerdings wies die Prüfung erhebliche Schwachstellen auf, die die Kritik an Binance weiter befeuerten. Die Prüfung beschränkte sich ausschließlich auf Bitcoin-Einlagen, die nur einen Anteil von rund 14,7 Prozent der Binance-Kundengelder ausmachen, wie aus Daten des Analysehauses Nansen hervorgeht. Außerdem bestätigte die Prüfung lediglich, dass die Bestände an einem bestimmten Tag gedeckt waren, dem 22. November. Letztlich sagt der „Proof of Reserve“ also nichts darüber aus, wie hoch die Verbindlichkeiten von Binance sind.
Kein „FTX-ähnliches Verhalten“
Für Binance kam es noch schlimmer: Wenige Tage nach Veröffentlichung nahm die Prüfgesellschaft Mazars plötzlich Abstand von ihrem eigenen Testat und löschte es von ihrer Internetseite. Die Nachrichtenagentur Bloomberg zitiert aus einer E-Mail von Mazars: Man habe „Bedenken hinsichtlich der Art und Weise, wie diese Berichte von der Öffentlichkeit verstanden werden“. Das beunruhigte den Kryptomarkt erneut, die Kurse von Binance-Coins reagierten mit zwischenzeitlichen Verlusten.
Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt
Der Fokus am Kryptomarkt liegt klar auf dem Bitcoin. Unter Altcoins versteht man Kryptowährungen, die nach der ältesten Digitalwährung erfunden wurden und eine Alternative zum Bitcoin darstellen. Beispiele dafür sind Ethereum, Cardano oder Solana.
Der Bitcoin ist nicht nur die dem Volumen nach größte, sondern auch die älteste Kryptowährung der Welt. Schon im Oktober 2008 skizzierte Satoshi Nakamoto, das Pseudonym des Bitcoin-Erfinders, in einem Whitepaper mit dem Titel „A Peer-to-Peer Electronic Cash System“, wie so eine virtuelle Währung aussehen könnte. Kurz darauf, im Januar 2009, wurden die ersten Bitcoin geschürft. Weil Nakamoto unter einem Pseudonym agierte, ist bis heute unklar, wer genau den Bitcoin ins Leben gerufen hat.
Transaktionen von Kryptowährungen werden auf der Blockchain dokumentiert. Die Blockchain ist eine öffentliche, dezentrale Datenbank. Die Informationen werden nicht auf einem einzelnen Server, sondern auf vielen tausenden Rechnern gespeichert. „Chain“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Kette“.
Jede Transaktion wird in einem Block gespeichert und an eine Kette der bereits vorhandenen Datensätze angehängt. Deshalb wird die Blockchain auch digitales Kassenbuch genannt. Die gespeicherten Daten können im Nachgang nicht mehr oder nur mit Zustimmung des Netzwerkes geändert werden. So soll ein fälschungssicheres Protokoll entstehen.
Ether ist hinter dem Bitcoin die zweitgrößte Kryptowährung und basiert auf der Ethereum-Blockchain. Im Vergleich zur Bitcoin-Blockchain gilt diese als moderner und leistungsfähiger und soll in Kürze auf das energiesparendere Proof-of-Stake-Verfahren umgestellt werden. Auch Smart Contracts können über Ethereum gehandelt werden. Beliebt ist die Kryptowährung auch, weil NFTs (non fungible Token) oft auf Ethereum basieren und deshalb mit Ether bezahlt werden.
Mining ist das Erzeugen (Schürfen) neuer Coins. Bei diesem Prozess stellen Miner im Fall des Bitcoin die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung, um komplexe mathematische Aufgaben zu lösen. So werden Transaktionen verifiziert und auf der Blockchain gespeichert. Die Miner werden fürs Bereitstellen der Rechenleistung mit neu generierten Bitcoin belohnt.
Bei einigen anderen Kryptowährungen basiert das Mining dagegen nicht auf Rechenleistung, sondern auf den Anteilen der Netzwerk-Teilnehmer an der jeweiligen Kryptowährung (siehe Proof of Stake). In diesem Fall wird das Mining deshalb auch oft als Staking bezeichnet. Auch dafür bekommen Teilnehmer eine Prämie, also quasi eine Art Verzinsung für ihren Anteil.
Minten bezeichnet das Erstellen eines NFTs (non fungible Token). Mit dem „Prägen“ des Bildes ist in diesem Fall das Hochladen in die Blockchain gemeint.
Die Abkürzung NFT steht für non-fungible Token, also nicht austauschbare Wertmarken. NFTs sind virtuelle Güter, die über die Blockchain gehandelt werden. Oft sind es etwa digitale Bilder oder Sammelkarten. Jeder NFT ist einzigartig. Wer einen kauft, wird in der Blockchain als Eigentümer registriert und kann so beispielsweise ein Echtheitszertifikat für ein virtuelles Bild oder ein digitales Kunstwerk vorweisen.
Mit dem Proof-of-Work-Verfahren werden neue Münzen einiger Kryptowährungen wie dem Bitcoin geschaffen. Dafür stellen die Miner die Rechenleistung des Systems zur Verfügung, um komplexe Aufgaben zu lösen. Wer es zuerst schafft, die Aufgabe zu lösen, darf den Block an die Blockchain anhängen und erhält eine Belohnung in Form digitaler Münzen. Der Proof-of-Work-Ansatz gilt als besonders energieintensiv.
Einige Blockchains basieren auf dem Proof of Stake-Verfahren. Anders als bei Proof of Work werden dabei fürs Mining keine umfangreiche Hardware und große Mengen an Rechenleistung benötigt. Proof of Stake gilt daher als wesentlich energieschonender.
Statt dessen dürfen diejenigen Transaktionen und neue Coins freigeben, die einen besonders hohen Anteil an einer Kryptowährung halten. Sie werden dann Validatoren genannt. Der Prozess beruht auf einem Konsensmechanismus. Je höher der Preis, desto höher die Anzahl der Coins, um am Prozess teilzunehmen.
Smart Contracts sind virtuelle Verträge, die über die Blockchain getauscht werden. Diese treten unter bestimmten zuvor festgelegten Bedingungen selbstständig in Kraft. Insbesondere Banken und andere Finanzinstitute sehen in Smart Contracts einen großen Nutzen. Sie könnten zum Beispiel beim Börsenhandel Intermediäre – also zwischengeschaltete Stellen wie Wertpapierbroker– überflüssig machen.
Die Wallet ist eine Art digitale Geldbörse für Kryptowährungen. Sie ermöglicht es Nutzern, Kryptoguthaben zu kaufen und zu verschicken. Es gibt mehrere Arten von Wallets. Die Hardware-Wallet ist quasi ein USB-Stick, auf dem das Kryptovermögen und die Zugänge eines Nutzers gespeichert sind. Eine Paper-Wallet wird auf Papier ausgedruckt.
Dafür wird ein QR-Code generiert, den man einscannen muss, um Transaktionen zu tätigen. Eine Software-Wallet kommt ohne externe Geräte oder Papierausdrucke aus. Hier werden die Daten in einem Computerprogramm gespeichert. Nutzer dürfen ihre Zugangsdaten nicht vergessen: Sonst bliebe ihnen der Zugriff auf ihr Kryptovermögen verwehrt.
Dieses Krypto-ABC entstammt dem großen Krypto-1x1 der WirtschaftsWoche: Das vollständige Dossier finden Sie hier zum Download
Kurz darauf zauberte Binance prompt den nächsten „Proof of Reserve“ hervor. Der bestätigte die Ergebnisse der vorigen Prüfung. Es läge kein „FTX-ähnliches Verhalten“ vor, resümiert das Prüfungsunternehmen CryptoQuant. Darüber hinaus habe Binance einen akzeptable „Clean Reserve“. Das bedeutet, dass der Anteil eigens ausgegebener Coins relativ gering ist. Daten des Analyseunternehmens Nansen aber nähren Zweifel daran: Demnach besteht das Portfolio von Binance zu gut 27 Prozent aus dem eigenen Stablecoin BUSD.
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Author: Nancy Cox
Last Updated: 1698010442
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